Sich Zeit nehmen für die Zeit
Genf ist ein Ort am Puls der Zeit: schnell, dynamisch, belebt. Doch die Stadt ist auch Heimat der traditionellen Uhrmacherkunst – und in diesem Handwerk hat Hektik nichts zu suchen. Denn: Präzision hat hier oberste Priorität. Besarta Murti, die beste Studentin der Uhrmacherschule Genf, nimmt sich die Zeit und erzählt.

Präzisionskunst im Mikromillimeterbereich
Besarta Murti ist im dritten der insgesamt vier Ausbildungsjahre an der Genfer Uhrmacherschule. 2019 wurde sie beim Grand Prix d’Horlogerie de Genève als beste Studentin ihrer Schule ausgezeichnet. Während ihrer Ausbildung lernt sie, wie ein mechanisches Uhrwerk hergestellt wird – von Grund auf. Das erfordert exaktes Arbeiten im Mikromillimeterbereich. Und deshalb stellen die Studenten im ersten Lehrjahr ihre eigenen Instrumente zur Schulung ihrer Hände gleich selbst her. Am Ende ihrer Ausbildung dürfen sie dann ihre eigens fabrizierte Uhr – die «Schuluhr» – in den Händen halten.
Handarbeit, die Zeit braucht
«Genf ist bekannt für das Genfer Siegel», sagt Besarta Murti. Das Gütesiegel der Uhrenstadt schlechthin steht für ausgesprochen hohe Ansprüche und bezeugt, dass jedes Einzelteil des Uhrwerks in Handarbeit entstanden und deshalb einzigartig ist. So erhält jede Uhr ihren ganz eigenen Charakter. Das macht für Murti auch die Faszination ihres Berufs aus: Ausgerechnet das Medium, welches die flüchtige Zeit einfängt, bedarf ebendieser, um zu entstehen.
Not macht erfinderisch
Die Stadt Genf steht für Schweizer Uhrenqualität und ist Heimat vieler renommierter Uhrenmarken. Dass Genf zur Uhrenstadt geworden ist, hat seinen Ursprung im 16. Jahrhundert. Damals hatte sich der berühmte Genfer Reformator Calvin Bescheidenheit als Tugend auf die Fahne geschrieben – und lehnte es daher strikt ab, dem Reichtum in Form von Gold und Edelsteinen zu frönen. Die vielen in Genf ansässigen Goldschmiede mussten sich deshalb einen neuen Erwerbszweig suchen. Das war die Geburtsstunde des traditionellen Genfer Uhrenhandwerks.